Was ist geschehen?
Mitten im Schuljahr, an einer Hauptschule im sozialen Brennpunkt. Aufgrund eines personellen Engpasses (hat den nicht jede Schule? Schau doch mal hier, so ist die Lage: https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/lehrermangel-bleibt-bundesweit-ein-problem/ ist plötzlich eine Klassenleitung unbesetzt. In diesem Fall eine siebente Klasse, die erst im Sommer neu in diese Schule aufgenommen wurde, komplett bestehend aus Schulformwechslern.
So ein Klassenlehrerwechsel kann passieren, ist für niemanden mitten im laufenden Schuljahr schön und verursacht viel Arbeit. Eine Klassenleitung zu übernehmen kann eine Chance bedeuten, für jeden. Im besten Fall baut man eine gute Bindung zu der Gruppe auf, wertschätzend im Verhalten und konstruktiv im Miteinander. Mitten im Schuljahr ist die Angelegenheit ein klein wenig herausfordernder, denn die SchülerInnen werden konfrontiert mit einer Person, die eventuell Klasse anders leitet als sie es zuvor monatelang gewöhnt waren und sind womöglich im Widerstand. Viel Zeit für Beziehungsaufbau ist nicht, denn man wird ja ins laufende Geschäft geworfen.
Das ist aber nicht das einzige Problem: Vorbereitung für eine Klassenleitung, die man sonst in der unterrichtsfreien Zeit (Ferien) erledigen kann, fehlt. Das verursacht Stress, denn nicht zu unterschätzen ist die Mehrarbeit, die aufgrund einer Klassenleitung entsteht. Womöglich kennt man die SchülerInnen namentlich nicht, man hat eventuell einen anderen Stundenplan mit mehr Stunden in der Klasse. Meist muss man sogar fachfremd unterrichten. All das ist eine nicht zu unterschätzende Arbeitsbelastung. Schauen wir doch mal hin:
Erwartungen
Sicherlich geht man mit einer Erwartungshaltung an die Sache.
Vielleicht kann man erwarten, dass die Klasse neugierig auf einen ist, die Person, die sich fortan um sie kümmert, bei schulischen Angelegenheiten, bei privaten Sorgen, bei Problemen und Konflikten. Vielleicht kann man erwarten, dass die SchülerInnen sich freuen, dass sich jemand nun wieder intensiver für sie da ist. Neugierig sind auf die neue Klassenleitung? Womöglich haben auch die SchülerInnen eine gewisse Erwartung? Das mit Sicherheit.
Realitätscheck
Du musst …
- Namen lernen
- Listen anlegen
- unterrichten
- Liegengebliebenes aufarbeiten
- Listen führen
- Die Klasse einrichten
- Widerstände wahrnehmen und aushalten
Alles in allem nichts Schwieriges. Wenn nicht das laufende Geschäft wäre. Stress pur. Das Schwierigste sind eventuelle Widerstände bei den SchülerInnen.
Vielleicht kommen Sprüche wie: “Frau X. hat das anders gemacht” oder “Herr Y. war viel toller”. Diese Aussagen können verletzen, sollen es vielleicht auch. “Wir wollen Frau Z. wiederhaben” zeigt doch, dass man etwas anderes macht und das anders ist unangenehm, denn es schießt uns Menschen aus der Komfortzone. Man möchte es ja mindestens genausogut machen wie die Lehrerin zuvor. Hier braucht man Durchhaltevermögen, Geduld und eine gehörige Portion Gelassenheit.
Mein Tipp:
Nimm es dir nicht zu Herzen, wenn solche Sätze fallen. Es hat nichts mit deiner Person zu tun, sondern lediglich mit der Situation. Etwas ist anders und anders ist per se zunächst unangenehm und verursacht Stress. Schraube deine Erwartungshaltung nach unten. Habe Geduld, mit dir und den SchülerInnen. Bleib ganz bei dir, dann wird das. Erwarte nicht, niemals, dass sie dich lieben (warum sollten sie auch?) Erwarten hingegen kannst du Respekt. Zeigen die SchülerInnen keinen Respekt, dann sei konsequent, auf deine Art und Weise.
Seid geduldig. Es dauert eine Weile, bis eine gute Beziehungsebene vorhanden ist. Niemand, wirklich niemand kann erwarten, dass du den Laden innerhalb weniger Wochen umkrempelst und rockst. Sei lieb zu dir, denn der Stress ist schon groß genug. Wenn du dir noch selbst Stress machst, weil es nicht so läuft, wie du es dir vorgestellt hast, dann kann das Fass schnell überlaufen und du zeigst Reaktionen, die du nicht willst. Erledige die zu erledigenden Arbeiten (siehe Liste) und lächle dabei. Mit deinem Lächeln trickst du dein Gehirn aus und suggerierst, dass du gute Laune hast, entspannt bist. So gehst du gelassener an deine neuen Aufgaben heran und verfällst nicht in ein ungesundes Dauerstressniveau.
Niemand kann erwarten, dass das Projekt Prinzessin, äh KlassenlehrerIn, von Anfang an perfekt läuft. Daher teile dir die Aufgaben gut ein, bleib gelassen und vor allen Dingen: Bleib du selbst
Von Herzen, Claudia
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