Schon im letzten Teil habe ich über das „Gepäck“ berichtet, das ein typischer Lehrer so mit sich schleppt. Gepäck in Form von to-do-Listen und Materialien. https://entspannte-lehrer.de/wieviel-gepaeck-hat-ein-lehrer/
Das „Gepäck” einer Lehrkraft
- Unterricht planen und vorbereiten
- Unterricht nachbereiten
- Dokumentationen
- Materialien kaufen
- Listen führen
- Elterngespräche
- Korrekturen
- Emails beantworten
- u.v.m.
All das sind die Aufgaben, die zuhause noch zu erledigen sind. Nach Feierabend und am Wochenende. Neben Haushalt, Freizeit, Sport, Kindererziehung und was sonst das Leben bedeutet und auch ausmacht. Die Fülle an (Schul-) Aufgaben erzeugt per se schon einmal Stress, denn Schulschluss bedeutet nicht Feierabend und all die Aufgaben sollten gut organisiert sein, denn sonst kann man sich schnell in ihnen verlieren. Die gängige Vorstellung ist ja, dass Lehrer Mittags nach Hause gehen und dann Freizeit haben. Wusstest du, dass der Normwert der tatsächlichen Arbeitszeit jedoch bei ca. 46 Stunden und 38 Minuten liegt? Die Robert-Bosch-Stiftung hat dazu im Januar 2023 eine interessante Studie veröffentlicht (klick hier -> https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/lehrerarbeitszeit-infografik-so-viele-stunden-arbeiten-lehrerinnen-und-lehrer-wirklich/).
Emotionales Gepäck
Was aber sehr unterschätzt wird, ist der emotionale Stress, den eine Lehrkraft mit sich trägt. Stress mit Schulleitung oder Kollegium, Stress mit einzelnen SchülerInnen, Stress in einer Klasse, Stress und Streit mit einer Klasse, diese Liste kann mit Sicherheit noch ergänzt werden. Vor allem der Stress mit den Schülern kann nicht einfach in der Schule gelassen werden. Das kann unter Umständen noch lange nachwirken.
Jüngst passiert: Eine Kollegin unterrichtet als Neu-Kollegin in einer herausfordernden Klasse. Sie wird von Anfang an von den Schülern ausgetestet, provoziert und kriegt kein Bein auf den Boden. Eine Schülerin treibt es besonders bunt, stört den Unterricht, quatscht mit ihren Sitznachbarn und greift die Kollegin verbal permanent an, bis hin zum direkten verbalen Angriff auf ihre Person. Das treibt die Schülerin wochenlang so lange, bis die Kollegin, deren Nervenkostüm schon dünner wurde, weint, ungehemmt, vor der Klasse.
Lehrer im Stress
Kein Einzelfall. Ich kenne Lehrer, die die Pausen über auf der Lehrertoilette verbringen, um sich zu fassen. Ich kenne Lehrer, die das Klassenzimmer verlassen, weil sie die Schüler nicht bändigen können. Ich kenne Lehrer, die weinend das Lehrerzimmer betreten. Ich kenne Lehrer, die den ganzen Stress nicht mehr aushalten und ihre Emotionen nicht mehr unter Kontrolle haben. Das ist schlimm. Meist sind es die Schüler, die uns derart reizen, dass wir uns nicht mehr in unserer Komfortzone befinden und Reaktionen haben, die wir im Nachhinein bereuen. Ungeschehen kann die Kollegin ihr Weinen vor den Schülern nicht machen. Das weiß sie und das macht das Ganze noch unerträglicher. Denn wenn man vor den Schülern das Gesicht verliert, auf welche Art und Weise auch immer, dauert es lange, bis man wieder respektiert wird. Dass das Weinen der KollegIn schulintern in Sekundenschnelle viral ging, macht das Ganze nicht besser. Empathie kann man von den Schülern selten erwarten, Verbündete auch nicht. Spott und Hohn auf dem Schulhof blieben der Kollegin nicht erspart. Da den Kopf oben zu behalten, erfordert ein hohes Maß an Kraft.
Ebenfalls jüngst geschehen: Ein Schüler weint im Unterricht. Es stellt sich heraus, dass ihm ein anderer Schüler auf den Kopf geschlagen hat. Aus Angst nennt der Schüler keine Namen. (Das ist ja sowie so ein seltsamer Ehrenkodex mit dem Petzen – jeder hatte es gesehen, keiner sagt etwas). Du bist hilflos. Du kannst dem Schüler nicht helfen, so wie du es möchtest. Diese Hilflosigkeit macht Druck und – rate mal – Stress.
Lehrer nehmen emotionalen Stress mit nach Hause
Solchen Ballast nehmen wir mit nach Hause. Das ist menschliches Verhalten und gleichzeitig Stress pur. Der Kopf lässt sich nach Schulschluss ja nicht abschalten, die Gedanken um Geschehenes kreisen nachhaltig um solche Themen. Meine Frage nun: Wie soll man zuhause entspannen und die anderen, bereits erwähnten Aufgaben in einem guten flow erledigen, wenn beispielsweise solch ein Vorfall passiert ist? Wenn man vor den Schülern geweint hat oder wenn man weiß, dass man einem Schüler nicht helfen kann? Wenn man ausgeflippt ist, weil alles zu laut/ zu viel/ zu anstrengend ist? Wenn, kurzum, alles in der Schule mal wieder zuviel ist? Denn alles, was wir in der Schule erleben, verarbeitet unser Gehirn weiter, wir lassen den permanenten Stress und psychischen Ballast ja nicht mit der Schulglocke hinter uns. Abschalten ist keine Option. Dieser permanente Stress ist dafür verantwortlich, dass so viele Lehrer in einen gesundheitsgefährdenden Zustand geraten bis hin zum Burnout.
Wie ist das bei dir? Kennst du solchen Ballast auch? Was tust du, um zu entspannen, um herunterzukommen? Hinterlasse mir doch gern einen Kommentar.
Von Herzen, Claudia
Foto des Beitrags mit herzlichem Dank von freepik
1 Kommentar